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Bundestagswahl: Internationale Einsichten zu Deutschland

Donald Trump verfolgt die deutsche Politik nicht sehr aufmerksam. Jedenfalls redet er noch immer hauptsächlich über Angela Merkel. Die Franzosen sehen in Deutschland längst nicht mehr den Stabilitätsanker Europas. Und in Israel und der Türkei betrachtet man den Aufstieg der AfD mit wachsender Sorge. Wie hat sich das Bild der Deutschen im Ausland gewandelt? Ein Überblick.

USA: Für Trump ist die EU ein Graus

Berlin diente Trump in seiner ersten Amtszeit häufig als Prügelknabe – und Deutschland, das sich lange Zeit als transatlantischer Musterschüler betrachtete, wusste gar nicht, wie ihm geschah. Dass Trump etwa die Deutschen vor den Russen beschützen soll, obwohl diese das russische Gas dem amerikanischen vorzogen, gehört zu den Dingen, über die er nicht hinwegkommt. Trumps Besessenheit hat zwei Gründe, einen strategischen und einen psychologischen. Die EU versteht er bis heute nicht – und das, was er von ihr versteht, ist ihm ein Graus: ein supranationales Gebilde? Staaten, die freiwillig Souveränität an die Brüsseler Bürokratie abtreten? Um einen Wirtschaftsraum zu bilden, der es mit Amerika aufnehmen möchte? Geht alles gar nicht. Um die EU zu spalten, knöpfte er sich Europas größte Volkswirtschaft vor: Deutschland.

Wie alles bei Trump hatte seine Aversion gegen die EU wohl auch persönliche Gründe: Eine Investition in Irland scheiterte vor vielen Jahren angeblich an den Brüsseler Mühlen. Und auch seine Abneigung Deutschland gegenüber hat persönliche Gründe. In Washington erzählt man sich, dass es sich um Projektion handelt: Trump hatte einen strengen, mitunter eiskalten Vater. Fred war der Sohn eines Einwanderers aus Kallstadt in der Pfalz. Die Disziplin, die Fred seinen Kindern abverlangte, stieß dem Sohn auf. Über seinen „deutschen“ Vater redet er zwar mit Respekt, aber ohne jede Zuneigung. Liebevoll spricht er hingegen von seiner schottischen Mutter. Die Kindheitserfahrungen setzten sich fest und prägten sein Deutschlandbild.

Die Großeltern des US-Präsidenten Donald Trump stammen aus dem pfälzischen Ort Kallstadt. Dieses korrespondiert im Übrigen nicht mit dem seiner Bewegung. Viele seiner Anhänger – zumal im Mittleren Westen – sind deutschstämmig. Stellt man sich ihnen als deutscher Korrespondent vor, öffnet das mitunter Türen. Dann hört man begeisterte Geschichten ehemaliger Soldaten über ihre Jahre in der Pfalz und in Bayern, die die schönsten ihres Lebens gewesen seien: Volksfeste, Weinköniginnen, Bratwurst und Bier. Aber selbst damit wird Berlin Trump nicht begeistern können – der Präsident trinkt keinen Alkohol.

Frankreich: Das „deutsche Modell“ steckt in der Krise

Mit Deutschland verbinden Franzosen die Stichworte Arbeit, Wirtschaftsmacht und Sparhaushalt. Zwei Drittel haben laut einer repräsentativen Umfrage dabei den Eindruck, dass sie Deutschland nicht gut kennen. So sind viele erstaunt darüber, dass Pünktlichkeit kein Markenzeichen der Deutschen Bahn ist und Verlässlichkeit nicht mit dem Internetempfang in deutschen Landen in Verbindung gebracht werden kann. Das fand das Meinungsforschungsinstitut CSA im Auftrag der deutschen Botschaft in Paris zu Jahresbeginn heraus. Vielen Franzosen fallen bei Deutschland die Tugenden Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und Fleiß ein.

Das Deutschlandbild der Franzosen bleibt überwiegend positiv, auch wenn es in den vergangenen Jahren ein wenig gelitten hat: 88 Prozent der Franzosen haben demnach ein positives Image vom Nachbarn. Doch der Respekt übersetzt sich nicht unbedingt in Sympathie. Knapp über die Hälfte der befragten Franzosen gaben an, das Nachbarland wenig oder gar nicht zu mögen. In der französischen Presse wird indessen seit Monaten die Krise des „deutschen Modells“ in allen Facetten analysiert. Für Frankreich war Deutschland lange Zeit die Benchmark, an der die eigenen Leistungen oder Versäumnisse gemessen wurden. Das Scheitern der Ampelkoalition hat viele Beobachter irritiert. „Wird Deutschland genauso unregierbar wie Frankreich?“, fragte etwa der Publizist Éric Le Boucher. Auch der wirtschaftliche Abschwung und die beiden Rezessionsjahre passen nicht zum gehegten Klischee vom Wirtschaftsriesen. Deutschland gilt inzwischen in vielen Kommentaren als „kranker Mann“ Europas. Der frühere Stabilitätsanker Europas erinnere an ein betrunkenes Schiff, schrieb der Autor Nicolas Baverez.

„Freundschaft mit Grenzen“: So sieht es offenbar ein Bewohner der zwischen Frankreich und Deutschland geteilten Ortschaft Leidingen. Über die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke mitten in der Energieversorgungskrise können die meisten Franzosen nur den Kopf schütteln. Mehr Verständnis gibt es für die deutschen Debatten zu Migrationskontrolle und Einwanderungsstopp. Eine negative Berichterstattung über die Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze gibt es – anders als während der Pandemie – kaum. Die Umfrage förderte auch zutage, dass gut die Hälfte der Franzosen glauben, dass sich die deutsch-französischen Beziehungen in den vergangenen Jahren verschlechtert haben. Dennoch stufen 74 Prozent das deutsch-französische Verhältnis als gut ein.

Israel: Nur die AfD trübt das Bild der Freundschaft

Der Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen von Tel Aviv ist sichtlich erfreut: „Deutschland ist inzwischen unser einziger Freund auf der Welt!“, sagt er. Zugegeben, fügt er auf Nachfrage hinzu, es gebe auch Donald Trump – „aber der ist verrückt“. Mit seiner Sicht ist der Taxifahrer nicht allein. Viele Israelis halten ihr Land für international zunehmend isoliert. Und viele schätzen Deutschland als zuverlässigen Partner. In Umfragen der Denkfabrik Mitvim zu den „wichtigsten Ländern für Israel“ nennen die meisten inzwischen die Bundesrepublik direkt nach den USA.

Gemeinsam mit ihren Ehefrauen besuchten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und sein israelischer Amtskollege Izchak Herzog den von der Hamas zerstörten Kibbuz Beeri im Süden Israels. Zwei Faktoren komplizieren den Blick der Israelis auf Deutschland: Antisemitismus und die AfD. Den Aufstieg der rechtspopulistischen Partei registrieren viele mit Unbehagen. Unter denjenigen Israelis, die die deutsche Innenpolitik genauer verfolgen, dürfte daher auch das Ergebnis der Bundestagswahl auf größeres Interesse stoßen als in vergangenen Jahren. Bislang haben israelische Regierungen die AfD boykottiert, selbst wenn diese sich in den vergangenen Jahren zunehmend als israelfreundlich inszeniert – wie andere rechtspopulistische Parteien in Europa auch.

Gideon Saar, seit November Außenminister im Kabinett Benjamin Netanjahus, sagte kurz nach seinem Amtsantritt in einem Interview, die israelische Regierung wolle künftig auch zu solchen Parteien Kontakte unterhalten, weil sie die „besten Freunde“ Israels seien. Er nannte die Parteien von Marine Le Pen und Geert Wilders als Beispiele. Nur für die AfD machte Saar eine Ausnahme: Sie „hat Grundsätze, die aus meiner Sicht eine Zusammenarbeit unmöglich machen“, sagte er. Im rechten israelischen Lager gibt es aber auch Politiker und Aktivisten, die keine Berührungsängste, sondern sogar Sympathie für die AfD und deren Agitation gegen Muslime und Migranten haben.

Die Sichtweise der meisten Israelis auf andere Länder wird jedoch vom Thema Antisemitismus dominiert. Nachrichten zu diesem Thema finden ihren Weg oft auch in israelische Medien, die sich ansonsten vor allem mit heimischen Ereignissen und Entwicklungen beschäftigen. Seit dem 7. Oktober 2023 wird noch genauer hingesehen, wie in Deutschland und in Europa über Israel oder über Juden gesprochen wird und was für Anfeindungen und Übergriffe es gibt; viele Israelis haben ein pessimistisches Bild der Entwicklungen. In diesem Zusammenhang wird auch registriert, wer sich wie zum Gazakrieg positioniert hat, etwa das BSW mit seiner deutlichen Kritik an der israelischen Kriegführung. Bei den Parteien der Mitte gehen israelische Beobachter jedoch davon aus, dass sie weiter das deutsche Verständnis von Staatsräson und Israel-Solidarität hochhalten werden.

Türkei: Rassismus in Deutschland ist Dauerthema

Das Erste, was vielen Türken zu Deutschland einfällt, sind ihre ausgewanderten Verwandten. Es scheint manchmal, als hätte jeder Türke einen Onkel in Stuttgart oder eine Cousine in Essen. In Zahlen: Rund drei Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben in der Bundesrepublik. Die gemeinsame Migrationsgeschichte beider Länder, vom Döner bis zum türkischen Fußballnationalspieler Hakan Çalhanoğlu, schwingt immer mit, wenn von Deutschland die Rede ist. Deutschland ist nach wie vor der beliebteste Studienort der Türken. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen zwischen 18 und 25 träumen vom Auswandern – und auch da steht Deutschland ganz oben auf der Liste.

Doch immer häufiger wird die Frage gestellt, ob Fremdenfeindlichkeit langfristig die Chancen für türkische Fachkräfte mindern könnte. Der zunehmende Rechtspopulismus wird in der Türkei mit Sorge verfolgt. Zugleich glauben viele Türken, dass sich die Rhetorik vor allem gegen Syrer und Afghanen richte. Die gleichen Vorbehalte kennen sie aus dem eigenen Land. Rassismus in Deutschland ist auch für Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Dauerthema, das er bei jedem Besuch eines deutschen Politikers anspricht. Er präsentiert sich so als Schutzpatron der Deutschtürken, einer wichtigen Wählergruppe. Die regierungsnahen Medien stehen ihm dabei zur Seite. Doch das verfängt längst nicht bei jedem, denn Rassismus gibt es auch in der Türkei.

Als das Goethe-Institut neulich in Istanbul eine Ausstellung über rassistische Gewalt in Deutschland zeigte, stieß sie eine Debatte über rassistische Gewalt in der Türkei an. Erdoğan behauptet gerne, die Deutschen würden die Türken um ihr Land beneiden. Das zeigt, wie sehr man sich mit Deutschland vergleicht – auch weil allgemein der Eindruck herrscht, den Verwandten in Deutschland gehe es besser. Die Medien berichten deshalb ausführlich über die schwächelnde deutsche Wirtschaft. Doch im Vergleich zur Inflation von mehr als 40 Prozent im eigenen Land erscheint das den meisten Türken kaum als ernst zu nehmende Krise. Schon eher verfängt Erdoğans Kritik an der deutschen Unterstützung für Israel im Gazakrieg. Die deutsche Haltung gilt den meisten Türken, egal welcher Couleur, als feige, unmoralisch und unverständlich. Auch Schwierigkeiten beim Bemühen, ein Visum für Deutschland zu bekommen, tragen dazu bei, dass sich das Deutschlandbild der Türken eingetrübt hat. Fast jeder kann von Freunden berichten, deren Anträge abgelehnt wurden oder die eine Messe, eine Hochzeit oder gar das eigene Konzert verpasst haben, weil die Bearbeitung ihres Antrags Monate gedauert hat.

Polen: Misstrauen und vorsichtige Bewunderung

„Die Deutschen haben schreckliche Angst vor jedem Krieg. Das ist in meinen Augen auch der Grund, warum die deutsche Politik so langsam und nicht sehr entschlossen ist.“ So erklärte der in Frankfurt lebende deutsch-polnische Schriftsteller Artur Becker kürzlich der angesehenen Tageszeitung Rzeczpos­polita die Verhältnisse im Nachbarland. Und er ergänzte, dass die Deutschen „allein aufgrund ihrer historischen Erfahrung manchmal in einen ungesunden Pazifismus“ verfielen. Genau das ist es, was viele Polen nicht verstehen können. Als unmittelbarer Nachbar der Ukraine sind sie angesichts von Putins Gebaren in Habachtstellung. Das erklärte Ziel lautet, NIE WIEDER unter einer Besatzungsmacht leben zu müssen. Zwar registriert man in Polen, dass Deutschland nach den USA der finanziell zweitgrößte Unterstützer der Ukraine ist. Doch greift man sich an der Weichsel angesichts der Illusionen, denen sich ausweislich Umfragen rund die Hälfte der Deutschen gegenüber Putins Russland hinzugeben scheinen, an den Kopf. Schlagzeilen wie „Scholz steht neuem deutschen Hilfspaket im Weg“ werden ge­nauso kritisch kommentiert wie das Auftreten der Putin-affinen Parteien AfD und BSW.

Polen kann und will sich diesbezüglich weder Zögern noch lange Debatten leisten. Für die meisten Menschen ist völlig klar: Hat Putin in der Ukraine Erfolg, sind sie als Nächstes dran. Der Blick vieler Polen auf Deutschland ist seit jeher geprägt von einem Mix aus Misstrauen und vorsichtiger Bewunderung. Misstrauen herrscht aufgrund der Geschichte, zu der sowohl der 123 Jahre währende teilweise Anschluss an Preußen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, vor allem aber die grausame Besatzung im Zweiten Weltkrieg zählen. Schuld­gefühle, so die Sicht vieler Polen, haben Deutsche jedoch vor allem gegenüber Russland.

Die Verbrechen, die ihre Vorfahren in Polen vom ersten bis zum letzten Tag des Krieges verübten, übersähen sie meist, so sie sie denn überhaupt kannten. Nur so ist auch die Popularität des Rufes „Reparacja“, also Wiedergutmachung, zu verstehen – mit ihm macht die nationalkonservative PiS, die bis Ende 2023 in Warschau regierte, auch in der Opposition munter weiter Politik. Die vorsichtige Bewunderung wiederum rührt vor allem vom wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands her, den viele Polen aus eigener Anschauung kennen und daran mitarbeiten. Fast eine Million Polen leben in Deutschland, Zigtausende pendeln jeden Tag zur Arbeit zu den Nachbarn im Westen. Sie wissen um den Reichtum des Landes, doch sind die Zeiten vorbei, wo sie nur danach strebten, so zu leben wie die Deutschen.

Bunt kostümierte Eisbader aus Deutschland und Polen steigen in das drei Grad kalte Wasser der Ostsee auf der Insel Usedom. Dass in „Niemcy“, wie Deutschland auf Polnisch heißt, nicht mehr alles rundläuft, hat sich herumgesprochen. Doch während in Berlin noch immer die Haltung vorherrscht, Polen müsse erst mal aufholen, hat sich das Land längst eigene Ziele gesetzt. Ministerpräsident Donald Tusk formulierte es zur Eröffnung der polnischen EU-Ratspräsidentschaft im Januar so: Warschau wolle in der EU „nicht nur dabei sein, sondern auch den Ton angeben“. Das Fundament dafür hat sich Polen seit 1989 hart erar­beitet. Seit Jahren verzeichnet das Land das EU-weit größte Wirtschaftswachstum, und 2025 wird es mit 4,7 Prozent der Wirtschaftsleistung auch die höchsten Verteidigungsausgaben aller EU- und NATO-Länder haben. Denn Polen weiß, was es zu verlieren hat.

China: Der Enthusiasmus ist längst abgekühlt

Der einst exzellente Ruf Deutschlands hat in China in den vergangenen Jahren gelitten. In immer mehr Bereichen blickt die Volksrepublik zunehmend auf sich selbst, auch auf die eigenen Autos und Maschinen. Kulturell herrscht unter Intellektuellen zwar weiter höchste Bewunderung für deutsche Werke; deutsche Ingenieurskunst genießt weiter einen guten Ruf. Aber in der Breite lässt die Anziehungskraft nach: Immer weniger Chinesen lernen Deutsch. Das liegt zum einen an marktwirtschaftlichen Erwägungen. Deutsch muss man in China nicht mehr können, wenn man in Industriekonzernen Karriere machen will.

Die Anziehungskraft lässt nach: Besucher betrachten einen Stand des deutschen Autobauers Volkswagen auf einer Automobilmesse in Shanghai. Und auch die Volksrepublik trimmt ihre Universitäten: Die Zahl der Studienplätze für Germanistik bemisst sich nicht mehr an grundsätzlichen nachfragebasierten Erwägungen, sondern daran, wie viele Absolventen aus dem Vorjahr eine Anstellung in der studierten Fachrichtung bekommen haben. Die politischen Eliten Chinas sind sich der Bedeut